24.07.2012, 23:07
(23.07.2012, 17:54)Martin schrieb: Ich glaube in den letzten Jahren einen gewissen Trend weg von der "alles runter, alls neu und besser als Werksauslieferung"- Restauration erkannt zu haben hin zu einem "möglichst viel originale Substanz erhalten".Hallo Martin,
das liest sich ein Wenig so, als wäre das eine Modeerscheinung. Ist es aber nicht. Tatsächlich gibt es viele Leute, die sich wissenschaftlich mit dem Phänomen des alten Autos als Zeugen seiner Zeit beschäftigen. Und damit, wie man sinnvoller Weise mit so etwas umgehen sollte. Persönlich finde ich es schön, dass auch in Fachkreisen "normale Massenware" der 70er und 80er inzwischen als schützenswertes Gut empfunden werden, denn diese Autos haben durchaus den Lifestyle ihrer Zeit geprägt und hatten tatsächlich Auswirkungen bis hin zu Architektur und Städtebau, mit denen wir bis heute leben (müssen).
Und all das hat auch seine Spuren hinterlassen - wären wir als eine Nation der Käferfahrer mit 150 l Kofferraum stehen geblieben, hätte es nie Einkaufszentren auf der grünen Wiese gegeben, in denen man wöchentlich seinen Großeinkauf gemacht hat. Mit Passat, Taunus, 3er & Co. ging das aber. Die Macke in der rechten Tür vom herumvagabundierenden Einkaufswagen, der erst deswegen möglich geworden ist, weil Autos wie der 3er die Handelsstrukturen in Deutschland nachhaltig verändert haben, gehört zur Geschichte des Autos. Zu der Geschichte, die der Wagen zu erzählen hat. Wenn man all solche kleinen Spuren tilgt, hat der Wagen genauso wenig zu erzählen wie ein Neuwagen und hat seine Rolle als Zeitzeuge verloren.
Wer sich genauer für das Thema interessiert, kann ja mal auf der Webseite der FIVA (http://www.fiva.org) schmökern - insbesondere die Charta von Turin, die aus der Sicht professioneller Restauratoren (auch aus den Bereichen Denkmalschutz und Kunst) zu fassen versucht, wie man idealerweise mit historischer Substanzu umgeht (kurz gesagt: so, dass es nachher schön aussieht, aber gleichzeitig respektvoll mit der Geschichte des Objekts), ist ziemlich erhellend ...
Wohl dem Synodalen, der nichts zu sagen hat und der dennoch schweigt. (Gustav Heinemann)